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ASF Thüringen

Bericht aus Brüssel von Maria Noichl Juli 2018

Internationales


Maria Noichl berichtet von ihrer Parlamentsarbeit in Brüssel und Straßburg (Bild: M. Noichl)

Rückschritte für Frauen in der EU

Und um genau diese Menschen geht es auch in einer Studie, die ich euch ans Herz legen möchte. Die Studie zum Thema Rückschritte im Bereich Gleichstellung, die vom Gleichstellungsausschuss des Europäischen Parlaments in Auftrag gegeben wurde, beleuchtet dabei die Situation in folgenden Ländern ganz genau: Österreich, Ungarn, Italien, Polen, Rumänien und der Slowakei. Die Analyse hatte dabei zum Ziel, Bereiche, Maßnahmen und Initiativen zu identifizieren, die Mädchen und Frauen in ihren Rechten beschneiden (könnten) und sich negativ auf die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern auswirken könnten. Deutlich wird: die beobachteten Rückschritte sind zu einem großen Teil mit den Kampagnen gegen den sogenannten „Gender-Wahn“ verknüpft. Dies zeigt uns deutlich, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern die theoretischen Konzepte, die hinter unserer Arbeit stehen, dringend verständlich näher bringen müssen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten dürfen sich durch gestreute Gerüchte und Unwahrheiten nicht von ihrem Bekenntnis zu Menschenrechten abbringen lassen. Und Frauenrechte sind, wie wir wissen, Menschenrechte.

Ausblick: Österreichische Ratspräsidentschaft

Passend zu diesem Thema hatten wir die österreichische Bundesministerin für Frauen, Familie und Jugend bei uns im Ausschuss zu Besuch. Hier wurden zwar noch keine Rückschritte in den letzten Jahren sichtbar, sie wären unter der derzeitigen Regierung jedoch keine Überraschung. Überraschend ist deshalb auch nicht, dass die Ratspräsidentschaft Gleichstellung zwar als ein Thema mit Priorität bezeichnet, aber auf dem Papier schnell deutlich macht, welches Thema ihre volle Aufmerksamkeit erhalten wird. Unter dem Motto „Ein Europa das schützt“ stellen sie leider nicht Europas soziale Dimension oder den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen in den Mittelpunkt, sondern den Kampf gegen die sogenannte „illegale Migration“ und der Sicherung der Außengrenzen. Zwar kritisierte die Ministerin, dass es seit 2015 keine Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter mehr gab, machte aber gleichzeitig deutlich, dass die EU sich nur um die großen Themen kümmern solle, um dem Prinzip der Subsidiarität nicht zuwider zu laufen.

Die im Rat zu behandelnden Richtlinien (zur Vereinbarkeit, Antidiskriminierung und Frauen in Aufsichtsräten) möchten sie weiter diskutieren, auch die EU-Ratifizierung der Istanbul Konvention möchten sie vorantreiben. Herzstücke ihrer Ratspräsidentschaft scheinen mir allerdings eine Studie zum Thema Onlinegewalt und Onlinebeteiligung der Geschlechter und eine Konferenz in Wien, die die Zukunft der Gleichstellungspolitik diskutieren soll, zu sein. Ich habe daher die Angst, dass auch unter dieser Ratspräsidentschaft keine Einigungen bei den genannten Richtlinien zu erwarten ist. Kritisch sah die Ministerin die Nachfrage einiger meiner Kolleginnen zum Thema Indexierung des Kindergelds: Es gibt derzeit einen österreichischen und auch einen bayerischen Gesetzvorschlag, die beide im Sinn haben, Kindergeld für in einem anderen Land der EU lebende Kinder an die jeweiligen dortigen Lebensverhältnisse anzupassen. Dies ist derzeit aber weder mit EU-Primär- noch mit Sekundärrecht vereinbar, wäre es wohl eine Diskriminierung von EU-BürgerInnen und gleichzeitig ein Verstoß gegen Verordnung 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Die Ministerin betonte in der Sitzung, dass Österreich diese Regelung trotzdem einführen werde...

Im Ausschuss ging es außerdem um einen Aktionsplan zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, welchen wir mit Vertreterinnen aus der Wirtschaft diskutieren konnten. Die Botschafterin Islands war ebenfalls zu Gast und zeigte, wie ihr Land dem gender pay gap den Gar ausmachen will:

1975 legten 90% der Isländerinnen einen Tag lang ihre Arbeit nieder, um gegen den gender pay gap zu demonstrieren. Was einen Tag lang das Land lahm legte, wird heute als der Wendepunkt im Kampf für Gleichstellung gesehen. Der gender pay gap liegt heute bei 4,5%. Eine Zahl, von der wir in Deutschland und den meisten europäischen Ländern nur träumen können - und dennoch so groß, dass sich die Isländerinnen und Isländer entschieden haben, dieser Kluft noch radikaler an den Kragen zu gehen. Seit dem 1. Januar diesen Jahres gilt ein neues Gesetz, das Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten verpflichtet, ihre Lohnsysteme zertifizieren zu lassen. Sie stehen also unter Beobachtung und Frauen sind in ihrem Kampf für eine gerechte Bezahlung nicht mehr alleine.

Dies zeigt mir mal wieder: Mut schafft Veränderung.

Und Mut braucht nicht nur die Politik, sondern jede und jeder Einzelne von uns. Vor allem, wenn wir versuchen, gewohnte Wege und festgefahrene Traditionen zu verlassen. Den braucht auch so mancher Vater, bei seiner Bitte nach Elternzeit in seinem Betrieb. Viele hören dann: das haben wir hier noch nie gemacht. Als wäre das ein Argument. Aber damit Väter dies nicht mehr hören müssen und Frauen endlich nicht mehr alleine Betreuungs- und Pflegezeiten schultern müssen, haben wir uns in der letzten Woche im Beschäftigungsausschuss auf unsere Position in Bezug auf die Vereinbarkeitsrichtlinie geeinigt. Die Pressemitteilung, die ich gemeinsam mit meinem Kollegen Michael Detjen herausgegeben habe, findet ihr im Anhang.

Ich wünsche euch einen schönen Sommer und hoffe, ihr findet die Zeit, Kraft zu tanken. Der Herbst wird kämpferisch!

Mit feministischen Grüßen

Eure Maria

 
 
 

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